Taufe des Herrn, Lesejahr B

Predigt zur Taufe des Herrn
Es gibt so viel schweres, menschenverachtendes Unrecht in der Welt, dass uns sicher schon manchmal der Gedanke gekommen ist: „Warum schlägt da der Herrgott nicht drein? Wie kann er da zuschauen?“
Und manche fühlen sich - auch in unserer Zeit - berechtigt, sogar verpflichtet, im Namen Gottes „dreinzuschlagen“, zu strafen, ja zu morden…
Gott aber ist anders. Der Prophet Jesaja stellt uns eine geheimnisvolle prophetische Gestalt vor, den von Gott erwählten Knecht. Er ist, wie der Prophet sagt, dazu bestimmt, der Bund für Gottes Volk und das Licht für die Völker zu sein.
Der Gottesknecht ist nicht gewalttätig: er schreit nicht und lärmt nicht; er stützt den schwachen Menschen: das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; seine Aufgabe ist es, blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien.
Gott ist anders – seine Macht ist nicht Gewalt, sondern Liebe und Verletzlichkeit. Gestern haben wir es gehört: Die Sterndeuter suchen einen mächtigen König im Palast in Jerusalem und finden schließlich ein schutzloses Kind in ärmlichen Verhältnissen in Bethlehem.
Die Christen haben erkannt, dass dieses Kind der von Jesaja angekündete Knecht ist. In der 2. Lesung erinnert Petrus die Menschen in Jerusalem: Ihr wisst, wie nach der Taufe, die Johannes verkündet hat,Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.
Damit sind wir beim Evangelium angekommen. Und da ist zunächst etwas unverständlich: Jesus lässt sich von Johannes taufen! Wozu bitte braucht Jesus eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Johannes sagt doch von Jesus: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren?
Jesus ist aber nicht als Sünder – d. h. als Mensch, der sich von Gott entfernt hat – mit seiner eigenen Sündenlast gekommen, sondern als der, der die Sündenlast der Menschen getragen hat, der unsere Schuld auf sich genommen hat.
Gott ist anders! In und durch Jesus, den geliebten Sohn, zeigt sich Gottes Wunsch, dass der Sünder lebe; und so geht Gott durch Jesus auch den Menschen in der größten Gottferne nach. Gott ist es, der Versöhnung und Frieden mit uns sucht und nicht Rache am Sünder nehmen will.
Eine Taufe ist ein tiefes Symbol: Das Untertauchen im Wasser bedeutet Reinigung von der Sünde, den Untergang des alten Menschen und neues Leben.
Das Versöhnungswerk Jesu hat mit der Herabkunft des hl. Geistes bei der Taufe im Jordan begonnen. Das Symbol des Geistes Gottes ist übrigens nicht der Adler, der „König der Lüfte“, ein mächtiger Raubvogel, der auch Symbol des römischen Kaisers und seiner Soldaten war, sondern die Taube: ein Symbol des Friedens und der Versöhnung – Gott ist anders! Jesus hat sein Versöhnungswerk weitergeführt durch Krankenheilungen und die Vergebung der Sünden und er hat es durch seinen Tod am Kreuz vollendet. Dieser Tod aber ist durch die Auferstehung Quelle des Lebens geworden.
Das im Evangelium Berichtete betrifft nun jede und jeden Einzelnen von uns persönlich! Die Taufe Jesu verweist auch auf unsere Taufe, durch die wir im Heiligen Geist mit ihm zutiefst verbunden sind. Durch das Sakrament der Taufe sind wir „neue Menschen“, Kinder Gottes geworden, wir gehören in besonderer Weise zu Gott, weil wir auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind.
Erinnern wir uns an die frohe Botschaft, die wir gerade gehört haben: Der Hl. Geist kam auf Jesus und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.
Das gilt aber auch für uns als Getaufte: Gott sagt auch zu uns: Du (Maria, Anna, Sabine…) bist meine geliebte Tochter, du (Michael, Lukas, Markus…) bist mein geliebter Sohn – an dir habe ich Gefallen gefunden. Ist das nicht sehr ermutigend?
Und weil Gott uns sehr liebt, so dürfen wir als Getaufte mit seiner Hilfe auch Licht und Liebe in unsere Welt bringen, wie Jesus blinde Augen öffnen, Gefangene aus dem ihrem Kerker holen und Menschen, die im Dunkel sitzen, aus ihrem Elend befreien – zumindest können wir es versuchen.
Wenn das alles stimmt – und aus unserem Glauben heraus dürfen wissen, dass es stimmt -, können wir mit großer Freude und Zuversicht in dieses noch neue Jahr 2018 gehen... 

 

Karl Thir